Wenn die Wirtschaft sinkt, droht Arbeitslosigkeit

Genauer und präziser muss das eigentlich lauten: „Wenn die Wirtschaftsleistung sinkt, …“. Und noch genauer muss dabei unterschieden werden zwischen der „absoluten Veränderung“ und der „relativen Veränderung“ der Wirtschaftsleistung. Bereits hier erkennt man die Oberflächlichkeit unseres Sprachgebrauchs wenn es um die Beschreibung ökonomischer bzw. wirtschaftlicher Sachverhalte geht. Es ist einer der am weitesten verbreiteten Irrtümer in der Öffentlichkeit. Zurückzuführen ist das auf ein Ereignis das die Weltgeschichte entscheidend geprägt hat. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1932. Damals führte in der Tat ein stark rückläufiges Sozialprodukt zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit, die in eine Massenarbeitslosigkeit mit einhergehender sozialer Verelendung mündete, bei der unser Begriff der heutigen Massenarbeitslosigkeit geradezu als ‚Peanuts‘ bezeichnet werden kann. Infolge dieser Krise forderte der englische Nationalökonom John Maynard Keynes in den 1930-er Jahren in seinem Buch „Eine allgemeine Theorie des Zinses und des Geldes“, dass der Sektor Staat aktiv in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen muss um solche ‚Katastrophen‘ zu lindern bzw. sogar um sie zu verhindern. Seine Schüler formulierten in den folgenden Jahren und Jahrzehnten diese Theorie zu ‚Konjunktur-programmen‘ weiter, mit denen der Sektor ‚Staat‘ bei sogenannten ‚Konjunkturkrisen‘ stabilisierend in den Wirtschaftskreislauf (s. Kap. 4) eingreifen soll/muss.

 

In Deutschland wurde diese Theorie – auch als Paradigma bezeichnet – so verinnerlicht, dass wir ein eigenes Gesetz dafür haben. In ihm ist festgeschrieben, wie die Wirtschaft zu funktionieren hat: das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967. Dass sich aber die Realität nicht an irgendein Gesetz hält oder orientiert hat sich in unserem Kulturkreis, auch nach mehr als vier Jahrzehnten, immer noch nicht herumgesprochen. Und so wurde im Jahr 2009 – nach 42 Jahren - wieder ein Konjunkturprogramm ‚Abwrackprämie‘ aufgelegt (s. Kap. 22). Die Lösung dieses vermeintlichen Widerspruchs liegt einfach im Zeitraum des Betrachters. Nehmen wir einen kurzfristigen Zeitraum von einem Monat zum vorangegangenen Monat oder von einem Jahr zum Vorjahr, dann kann man durchaus negative Wachstumsraten des Sozialproduktes feststellen – wie die nachfolgende Graphik zeigt:

 

Entwicklung der Wachstumsraten des Sozialproduktes in der langfristigen Sichtweise von 1950 bis 2014

 

Aber in der langfristigen Sichtweisen sieht diese Entwicklung ganz anders aus wie die nächste Graphik zeigt.

 

 

Zu sehen ist, obwohl die Wachstumsraten pro Jahr tendenziell immer kleiner werden, nimmt der absolute Wert des Sozialproduktes immer weiter zu. Mathematisch kann sogar nachgewiesen werden, dass auch bei 200 Jahren Betrachtungsweise das Sozialprodukt immer größer wird, auch wenn die Wachstumsrate sinkt (s. auch „Wirtschaftskrise –nur die bloße Theorie, Art. I). Wenn aber das Sozialprodukt doch schon seit Jahrzehnten permanent zunimmt – also wächst – wieso steigt dann die Arbeitslosigkeit seit 1974 an? Erst auf eine Million 1975. Dann auf zwei Millionen Anfang der 80-er Jahre (1983). Auf drei Millionen 1993 und über vier Millionen 2002. In der Spitze im Jahr 2005 sogar auf fast fünf Millionen – wie die nachfolgende Graphik zeigt?

 

 

Das dürfte es aber doch nach der herrschenden Meinung überhaupt nicht geben. Den während die Arbeitslosigkeit innerhalb von drei Jahrzehnten (1975 -2005) immer neue Höhenrekorde erreicht steigt im gleichen Zeitraum das Sozialprodukt von 878,7 Mrd. € auf 1.590,2 Mrd. € an. (Wenn Sie die aktuellen Zahlen mit diesen Werten vergleichen, werden Sie keine Übereinstimmung feststellen. Zwar stimmen die absoluten Werte nicht überein; aber die Struktur schon. Bei meinen Berechnungen liegt die Preisbasis von 1991 zugrunde. Deshalb kommt es zu diesen Abweichungen). Und das alles trotz Konjunkturprogrammen, Abwrackprämie, Steuererleichterungen und einer seit den 1970-er Jahren kräftig gestiegenen Bürokratie in den Verwaltungen dieser Republik. Und noch ein letztes soll den unsinnigen Zusammenhang von ‚Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit‘ verdeutlichen. Das Sozialprodukt ist in den 65 Messperioden von 1950 bis 2015 neunundfünfzig (59)-mal gestiegen und nur in sechs (6) Perioden war es rückläufig. Dem- gegenüber ist im gleichen Zeitraum die Arbeitslosigkeit 28-mal angestiegen (wie die beiden eingefügten Graphiken zeigen). Es ist wohl offensichtlich, dass ein sechsmaliger Rückgang des Sozialproduktes den Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht erklärt.

 

 

Und genauso verhält es sich auch, wenn man sich die Entwicklung des Sozialproduktes je Einwohner von 1950 bis 2015 anschaut. Zwar werden im Jahr 2008 die Bundesbürger im statistischen Durchschnitt um 1.103 € ‚ärmer‘. Doch dieser Rückgang ist bereits in den folgenden beiden Jahren MEHR als aufgehoben = 2009: plus 840 €; 2010 plus 808 €. Ergibt zusammen 1.648 € je EW.